Mittwoch, 10. Dezember 2014
Einfach sein
Vieles in meinem Leben entwickelt sich einfach. Ohne dass ich allzuviel dafür täte oder dass ich mir dessen jeweils bewusst wäre. Oft verstehe ich Entwicklungen erst im Nachhinein und auch das ist eher ein Deuten als ein Verstehen. So geht es mir auch jetzt und deshalb will ich mich nun nicht mit neuen Erkenntnissen brüsten, noch will ich es bewerten oder als Erfolg darstellen. Es sind ein nur paar Körner, die ich auch meiner steten Suche nach Lebenssinn und -verständnis aufpicken konnte.
Auf meinen Rikschatouren komme ich jeweils am Haus vorbei, in dem im 19. Jahrhundert der Zürcher Schriftsteller und Dichter Gottfried Keller lebte. Um meinen Gästen etwas erzählen zu können überflog ich zumindest ein paar seiner Schriften und dabei ist mir ein Satz im Hirn haften geblieben: "Alles Grosse und Edle ist einfacher Art". Diesen Satz darf man ruhig zweimal lesen und sich so quasi auf der Zunge zergehen lassen. Es sind nicht die komplizierten und hochtechnischen Dinge, die "Gross" und "Edel" sind, sondern es sind die "von einfacher Art".
Hier nun ein paar Zitate, die in die selbe Richtung zielen:
- Einfachheit ist das Resultat der Reife (Friedrich Schiller)
- Das Leben ist einfach, doch wir bestehen darauf, es kompliziert zu machen. (Konfuzius)
- Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit (Sören Kierkegaard)
- Wer weniger besitzt wird umso weniger besessen (Friedrich Nietzsche)
- Der einfachste Weg Einfachheit zu erreichen führt über gut durchdachtes Weglassen. (John Maeda)
Als ich 2011 die normale Angestellten-Welt verliess und mich auf den Weg in die Selbständigkeit machte war mir bewusst, dass ich materiell bescheidener leben musste. Dies fiel mir auch nicht sonderlich schwer weil ich zuvor ja jahrelang selbst erfahren habe, dass mir ein mehr an Materie kein mehr an Zufriedenheit beschert. Zudem war ich in der komfortablen Lage, dass mich so viel angehäufte Materie umgab, dass ich problemlos ein paar Jahre ohne grosse Anschaffungen auskommen kann. Ich brauchte einfach mal die Dinge zu benutzen, die mich bereits umgaben.
2012 verspührte ich manchmal noch einen Stachel des Verzichts. Die Verlockungen der Konsumwelt wurden ja nicht kleiner, doch meine Mittel liessen es nicht mehr zu, diesen Verlockungen nachzugeben. Das führte zu jeweils kurzzeitigem Schmerz. Ich lernte jedoch, dass dies vorwiegend Phantomschmerzen sind. Eingebildet und wenig real. Ich lernte auch, vermehrt nach dem "wahren Nutzen" einer Sache zu fragen und was mir keinen einleuchtenden Nutzen versprach, war schnell ausgeschieden.
2013 war der Verzichtsschmerz weitgehend weg und das Pendel schlug in die andere Richtung, in die des Ekels und der Verachtung. Ich konnte kaum mehr grosse Einkaufshäuser betreten ohne mich vor dem Überfluss zu ekeln. Dadurch entstand eine Art Konsumverweigerung aus Protest. Meine Einkünfte aus der Selbständigkeit verbesserten sich und es wäre schon möglich gewesen, sich mal wieder etwas zu leisten, doch ich wollte einfach nicht mehr. Das Verlangen nach neuer Materie verschwand ganz einfach. Die Frage nach dem Nutzen wurde immer wichtiger.
In diesem Jahr, 2014, stelle ich nun fest, dass ich ausgeglichener und gelassener auf unsere Konsumwelt reagiere. Es ist einfach nicht mehr meins und ich muss mir diesbezüglich einfach keine Gedanken mehr machen. Das ist ein schöner Punkt. Das Wünschen, Verlangen oder Begehren nach materiellen Gütern ist einfach weg.
In diesen drei Jahren lernte ich auch in anderen Bereichen mein Leben zu vereinfachen und "Simlify your life" ist mittlerweile zu einer Überzeugung geworden. Man erhält durch Vereinfachung und Weglassen sehr viel Lebenszeit geschenkt. Wenn man weniger hat, muss man sich auch um weniger Dinge kümmern.
Alles ist im Fluss und eine Entwicklung. Momentan denke ich sogar, dass ich mich zukünftig noch von ein paar Dingen befreien werde, weil ich diese schlicht nicht (mehr) gebrauche. Und warum soll ich diese behalten, wenn sie nicht nutze? Reduktion auf das Wesentliche finde ich eine gute Idee. Oder eben: bisher machte ich damit gute Erfahrungen. Man darf gespannt sein, wie ich mich diesbezüglich weiter entwickle.
PS: Zum Schluss will ich diese Entwicklung aber doch noch etwas bewerten und loben: Freiwilliger Verzicht führt zu weniger Ressourcenverbrauch, ist deshalb nachhaltig, umweltschonend und sinnvoll. Man reduziert dadurch den eigenen ökologischen Fussabdruck und wer weiss, vielleicht verbraucht mein Lebensstil nun nur noch 2, statt der üblichen 3 Erden (zum Hintergrund: Wissenschaftler haben errechnet, wenn alle Menschen so viele Ressourcen verbrauchen wie wir Schweizer es tun, müsste die Erde 3 mal grösser sein als sie ist. Ich vermute also, dass ich immer noch auf zu grossem Fuss lebe, dieser Fussabdruck aber immerhin etwas kleiner wurde). Diese Überlegungen streicheln mein Ego als Gutmensch, doch darum geht es nur ganz am Rande. Ich will mich nicht besser darstellen als Andere. Nur schon mich zu messen oder zu vergleichen lehne ich ab. Menschen sind einzigartig und die Ökobilanz ist nur ein ganz unwesentliches Qualitätsmerkmal.
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