Sonntag, 13. August 2017
ich werde alt...
Gestern war wiedereinmal Streetparade in Zürich. Um die 900'000 Menschen strömten ans Zürcher Seebecken um "Love never ends" zu zelebrieren. Das ist naturgemäss eine der umsatzstärksten Nächte als Rikschafahrer und deshalb ein absolutes MUSS.
Kurz vor zwei Uhr nachmittags machte ich mich auf ins Getümmel. Zu Beginn ist die Bahnhofsregion ein guter Fang-Standort um Leute möglichst nahe ans Seebecken zu bringen, wo die eigentliche Parade zwischen etwa drei und sechs Uhr stattfindet. Dieses Jahr war es mit etwa 20° Grad relativ kühl. Schnell stellte ich fest, dass die Sicherheitsmassnahmen der Polizei nochmals deutlich erhöht wurden und es schwierig war überhaupt in die Nähe des Sees vorzustossen. Nach den Terroranschlägen der letzten Jahren in Europa habe ich dafür auch durchaus Verständnis.
Schnell wird einem klar, wie viel Streetparade mit hemmungslosem Alkohol- und Drogenkonsum zu tun hat. Leere Alkflaschen werden auf die Strasse geschmissen und so werden viele Scherben zum Spasskiller für Rikschafahrer (und Fussgänger). Kurz vor sechs Uhr hatte ich dann erstamals einen platten Vorderreifen. Nach etwa 15 Minuten Reparatur ging es dann weiter. Kaum eine Stunde später dann ein platter Hinterreifen. Langsam beginnt es mich zu ärgern...
Die angetrunkenen Leute nehmen stetig zu. Die Müllberge wachsen. Dauernd heulen Sirenen von Polizei und Krankenwagen. Leute kotzen an den Strassenrand oder pinkeln an parkierte Autos. In was für einer Welt leben wir? Anstand und Hemmungen gehen verloren. Jeder will einfach PARTY, ohne Rücksicht auf Verluste. So sieht also "Love never ends" aus...
Natürlich ist das Ganze eine Altersfrage. Es gibt noch einige alte Raver, doch vermutlich ist 80% des Publikums unter 30 Jahren. Für Viele bedeutet Streetparade nichts anderes als Party machen und wieder einmal richtig die Sau rauslassen. Ich bin nun schon deutlich über 50 und habe auch wenig (oder keine) Beziehung zum jungen Partyvolk. Vieles ist mir zu laut, zu hektisch, zu abgedreht. Schlicht eine schwierige Beziehung...
Ich nahm mir vor, mindestens bis um Mitternacht durchzuhalten. Wenn ich gut drauf bin, bis 02:00 Uhr und sollte es spitzenmässig laufen, so gerne auch noch länger. So der Plan... Um 21:00 Uhr hatte ich dann Hunger und erste Motivationsprobleme. Ich machte eine halbe Stunde Essenspause, dann ging es weiter. Die betrunkenen Fahrgäste nahmen zu. Je länger je mehr ging mir die ganze Sache auf die Nerven. Ich schaute vermehrt auf die Uhr.
Kurz vor Mitternacht stiegen dann Gäste zu, die ganz in die Nähe unserer Garage wollten. Das war dann wie ein Zeichen. Schon während der Fahrt war mir klar, dass ich danach die Segel streiche. Ich hatte genug. Das Ganze ist einfach nicht meine Welt. Modern ausgedrückt: " Ich bin zu alt für diesen Scheiss!" Auch wenn die anderen Rikschafahrer vermutlich noch lange unterwegs waren und einiges mehr verdienten als ich, darum geht es gar nicht. Das ist nicht die Art von Rikschageschäft wie ich es mir vorstelle. Das entspricht mir einfach nicht und nur für diesen Tag (oder für diese paar Franken mehr) will ich mich auch nicht verstellen. Jeder hat so seine Stärken und Schwächen. Das Nachtgeschäft ist nicht mein Ding und das kann ich auch so akzeptieren.
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Jürg Knobel am :